Donnerstag, 09.06.2011

Breites Kreuz und der Blick voraus

  

Abfall. Vor 20 Jahren schlossen sich mehrere Landkreise der Region zur OVVD zusammen, um die Müllentsorgung in geordnete Bahnen zu lenken.

Von Jörg Spreemann

Neubrandenburg/Rosenow. Wer mit Abfall zu tun hat, muss manchmal starke Nerven haben: Etwa, wenn eine zwei Meter lange Schlange in der Sortieranlage zappelt, eine Leuchtrakete zum Vorschein kommt, oder eine Rentnerin anruft, die Schmuck im Wert von 16 000 Euro in der Mülltonne versenkt haben will. Wer mit Abfall zu tun hat, weiß aber auch, was passiert: Großereignisse hinterlassen ihre Spuren, wie das Fusion-Festival in Lärz. Dann scheppern Unmengen von Pfandflaschen durch die mechanisch-biologische Abfallbehandlung in Rosenow (Landkreis Demmin). Ansonsten ist die Müllentsorgung ein Geschäft, das die Verbraucher nur aufregt, wenn die Gebühren steigen oder die Tonne nicht pünktlich abgefahren wird. "Mit Müll will keiner was zu tun haben", winkt Hans-Jürgen Geier ab. Der Geschäftsführer der Ostmecklenburgisch Vorpommerschen Verwertungs- und Deponie GmbH OVVD sorgt mit seiner inzwischen 100-köpfigen Mannschaft dafür, dass der Abfall aus dem Osten-Mecklenburg-Vorpommerns so behandelt wird, wie gesetzlich vorgeschrieben. Und dass die Kosten und damit die Müllgebühren - im Rahmen bleiben.
Geier erinnert sich gut an die stürmischen Anfangsjahre der OVVD, die im Juni 1991 von den damaligen Kreisen Waren, Röbel, Neustrelitz, Altentreptow, Strasburg sowie der Stadt Neubrandenburg ins Leben gerufen wurde. "Nach der Wende musste die gesamte Abfallwirtschaft umgekrempelt werden, um die neuen Gesetze einzuhalten", erzählt der heute 62-Jährige.
Von Seiten der Bundesregierung sei den Kommunen damals empfohlen worden, sich zusammenzuschließen. Mit der Marktwirtschaft waren anfangs riesige Müllmengen verbunden. "Man glaubt gar nicht, was damals alles weggeschmissen wurde", sagt er. Versprochene blühende Landschaften und 500000 Einwohner sollten, so die anfänglichen Planungen, 400000 Tonnen Müll machen. Doch es kam anders.

Der frisch gebackene OVVD-Chef Geier und anfangs einziger Mitarbeiter - musste in den ersten Jahren ein breites Kreuz haben. Die kommunale Gesellschaft ging auf die Suche nach dem Standort für eine Großdeponie für die gesamte Region. Waren anfangs aufgrund ihrer geologischen Beschaffenheit 30 Flächen in der engeren Auswahl, blieb letztlich Rosenow übrig. "Uns machte vor allem der schlechte Ruf der Mülldeponie Schönberg in Westmecklenburg zu schaffen", sagt er. Geier bekam es mit Bürgerinitiativen, Landwirten und Anwohnern zu tun, die keine Müllberge vor der Haustür haben wollten. "Das ist doch viel zu groß, was ihr da bauen wollt", erinnert er sich an einen oft genannten Einwand. Hinzu kam das Schlachtfeld der geplanten Müllverbrennung in Neubrandenburg, die seinerzeit wütenden Widerstand hervorrief. "Wir konnten nur eines machen: mit den Leuten reden, reden, reden", so Geier. Und sich an der Entwicklung von Rosenow und den umliegenden Gemeinden zu beteiligen.

Geier ist jemand, der voraus schaut und sich nicht gern überraschen lässt. So wurden die Planungen für den Müllofen in Neubrandenburg zwar abgeschlossen, aber nicht ausgeführt. "Es zeichnete sich damals ab, dass die Entwicklung woanders hingeht", erläutert er. Frühzeitig schwenkte die OVVD auf einen neuen Anlagentyp um. Als Mitte 2005 Müll nicht mehr unbehandelt auf die Deponie durfte, war die OVVD einer der ersten Entsorger, der sich an die mechanisch-biologische Müllbehandlung wagte. Heute findet Geier kaum Termine für die zahlreichen ausländischen Delegationen, die sich die Klinke in die Hand geben, um sich die Anlage in Rosenow anzuschauen.

Der Müll, mit dem OVVD ihr Geld verdient, kommt längst nicht in den Mengen zusammen, wie Anfang der 90er Jahre erwartet. Die halbe Million Menschen im Osten des Landes produziert lediglich 170 000 Tonnen Abfall. Rechtzeitig bringt Geier mit Partnern aus der Privatwirtschaft ein Projekt ins Laufen, das andernorts inzwischen Nachahmer gefunden hat.

In dem Heizkraftwerk, das im nahen Stavenhagen den Kartoffelverarbeiter Pfanni mit Dampf versorgt, werden energiereiche Abfallbestandteile, die in Rosenow ausgesiebt wurden, verbrannt. Das sichert der OVVD Einnahmen, um steigende Kosten, wie für Energie und Diesel, im Zaum zu halten. Seit 6 Jahren könne die OVVD den Preis von 105 Euro für die Behandlung einer Tonne Hausmüll halten. Was Rosenow kassiert, geht zu einem Drittel in die Abfallgebühren der Haushalte ein. Das bleibe auch nach der Kreisreform so. "An uns liegt es nicht, wenn irgendwo die Müllpreise steigen", so Geier.

© Nordkurier.de am 09.06.2011